Rund ums Laufen nach der Geburt

in Auszügen erschienen in: familiii, Ausgabe 03/2024, von Christine Adamle

Endlich Frühling, endlich wärmere Temperaturen, die wieder einladen eine flotte Runde zu laufen. Doch bevor Du als frischgebackene Mama gleich mal hochmotiviert in Deine Sportschuhe hüpfst, möchte ich Dir eine paar Dinge für Deinen Laufstart mitgeben.

Einer der wichtigsten Punkte vorab: Es gibt keinen allgemein gültigen Laufstart, dieser ist von Frau zu Frau verschieden. Als generelle Regel wird oft 6 Monate nach der Geburt als günstiger Laufstart angegeben. Es kommt aber immer darauf an, wie gut Dein Beckenboden unter der sogenannten „high impact“-Belastung, die beim Laufen passiert, (wieder) funktioniert. Ob Du Deine Blase so weit unter Kontrolle hast, dass Dein Beckenboden während des Laufens diese im wahrsten Sinne des Wortes halten kann. Ich empfehle mittlerweile in vielen Fällen, auf den Laufstart bis mindestens 10 bis 12 Monate nach der Geburt zu warten.

Auch spielt die kardiovaskuläre Anstrengung, der Du Dich beim Laufen aussetzt, eine große Rolle: Das bedeutet, ob Du von Deinem Herz-Kreislauf-System wieder bereit bist, für eine gewisse Zeit Deine Ausdauer aufrecht erhalten zu können. Auf den ersten genannten Punkt möchte ich nun näher eingehen. Widmen wir uns dem Beckenboden: Dieser wurde durch die gesamte Schwangerschaft und bei der Geburt durch das Gewicht des Kindes belastet. Das gilt auch für Mamas, die eine Bauchgeburt hatten, zumindest für die ungefähr 9 Monate, in denen der Beckenboden das Baby getragen hat.

Hier erkläre ich dir anhand eines einfachen Beckenboden-Funktionstests, wie du die Funktionalität deines Beckenbodens überprüfen kannst. (Dieser Test ist eine reiner Funktionstest, er ersetzt nicht den Weg zu einer spezialisierten Beckenboden- Physiotherapeut:in.)

Zum Video des fitmom-Beckenboden-Belastungstests

Der Test ist in vier Stufen geteilt, wobei Stufe 3 und Stufe 4 zwei Varianten (a) und (b) aufweisen: Wenn Dein Beckenboden die erste Stufe bravourös gemeistert hat, dann kannst Du zur nächsten Stufe übergehen. Dein Beckenboden sollte diese Übungen mit halb voller Blase absolvieren können (ca. 300ml Wasser davor trinken). (Der Test wurde von der Sportwissenschafterin Dr. Iris Floimayr entwickelt und stützt sich auf ihre Expertise im prä- und postpartalen Trainingsbereich.)

Alles fit im Schritt? - Der Beckenbodenbelastungstest

1. Stufe: Husten, laut lachen oder niesen - ca. 15x mit aufgerichtetem Oberkörper

2. Stufe: am Stand mit Füßen auf dem Vorderfuß auf und ab wippen/“federn“ beidbeinig, Fersen sind dabei in der Luft; ca. 10 bis 15x
3. Stufe a) am Stand beidbeinig sachte hüpfen ca. 10 bis 15x
 

3. Stufe b) am Stand laufen: Laufbewegung imitieren für ca 10 bis 15 sec

 

4. Stufe a) in der Höhe springen und eine Grätsche bilden und mit eng gestellten Beinen aufkommen

4. Stufe: b) in die Höhe springen, Grätsche bilden und in der breitbeinigen Hocke aufkommen

Wenn Du alle vier Stufen absolviert hast, ohne dabei Urin zu verlieren, ein unangenehmes Gefühl wie Ziehen, Stechen oder Druck nach unten zu spüren, dann bist Du bereit für Deinen ersten Lauf!

First run

fitmom familiii 2024 03 Adamle laufenDein erster „Run“ sollte aus einem Marsch mit lockeren Laufeinheiten bestehen. Das kann folgendermaßen aussehen: Du nimmst Dir 15 Minuten als gesamte Laufeinheit und teilst diese nun auf. Zwei Minuten schnelles Marschieren, dann 30 Sekunden lockeres Traben, dann wieder zwei Minuten schnelles Marschieren. Dann wieder locker traben und so weiter. Du versuchst dabei, Deinen Körper sanft an die Ausdauerbelastung zu gewöhnen, bis Du bei der vollendeten 15. Minute angekommen bist.

Dieses Prozedere wiederholst Du ca zwei bis dreimal in einem Abstand von ein bis zwei Tagen. Wenn Du Dich dabei gut fühlst, kannst Du von Woche zu Woche die Sekunden, in denen Du läufst, steigern und die Zeit des flotten Marschierens immer mehr reduzieren.

Das Ziel ist es, 15 Minuten am Stück ausdauernd mit annähernd gleichem Tempo zu laufen und dabei Spaß zu haben. Das bedeutet, dass es für Dich keine besonders hohe Anstrengung darstellen soll. Zeitgleich gibt Dir dieses vorsichtige Herantasten ein Gefühl von Sicherheit. Dein Beckenboden und Deine Gelenke werden es Dir danken. Von Woche zu Woche steigerst Du dann die Zeit der gesamten Laufeinheit.

Stufen-Workout

fitmom familiii 2024 03 Adamle Stufen 1fitmom familiii 2024 03 Adamle Stufen 2Deine Koordination verbesserst Du mit einem sogenannten Stufen-Workout. Schnapp' Dir draußen oder im Stiegenhaus ein paar Stufen, auf denen Du verschiedene Schrittfolgen ausprobieren kannst. Hier sind Deiner Fantasie keine Grenzen gesetzt: seitlich hinauf und hinunter laufen, seitlich überkreuz oder mit ein paar Sprungelementen hinauflaufen. Das bringt auf jeden Fall Schwung und Abwechslung in jedes Läufer:innenbein. Durch die bewusste Konzentration auf die einzelnen Stufen verbesserst Du Deine koordinativen Fähigkeiten. Diese unterstützen Dich beim Laufen in unebenem Gelände und bei längeren Läufen. Dein Herzkreislaufsystem wird dadurch ebenfalls angetrieben.

 

„Zeigt her eure Schuhe...“ - das passende Schuhwerk

fitmom familiii 2024 03 Adamle SchuheHier eine konkrete Empfehlung abzugeben, würde das Thema sprengen, ich rate auf jeden Fall zu einer fachlichen Beratung in einem Sportgeschäft mit Laufanalyse. Zum einen können neue Laufschuhe gerade am Anfang unheimlich viel zur Motivation beitragen. Und zum zweiten sollten die Schuhe an deine aktuellen Bedingungen angepasst werden: geht’s eher ab auf die Straße/Asphalt oder startest Du auf einem weichen Waldboden? Generell gilt: je mehr Dämpfung der Schuh mitbringt, desto weniger ist die Sensomotorik gefordert. Du landest zwar im ersten Moment weicher, das Empfinden für diverse Untergründe, Unebenheiten und Kanten wird dadurch aber mit der Zeit immer weniger.

Im besten Fall hast Du zwei bis drei Paar Laufschuhe, die von der Dämpfung ausgehend unterschiedlich sind. Passend zu diesem Punkt, geht es hier auch gleich weiter zu einer eher ungewöhnlichen Art zu laufen:

„Zeigt her eure Füße! - barfuß laufen

fitmom familiii 2024 03 Adamle barfuss

Ohne Schuhe zu laufen, stellt für die Füße und generell für den Körper eine Möglichkeit dar, sich auf neue Gegebenheiten einzustellen, was wiederum gut für die Laufdynamik im Allgemeinen ist. Am besten gelingt das Barfußlaufen für den Start auf weichem Untergrund wie zum Beispiel auf einer Wiese oder einem Waldboden. Der Fuß muss sich dem Untergrund anpassen, es gibt keine Dämpfungseinrichtung wie es bei der Schuhsohle der Fall wäre. Du bist dazu automatisch angehalten, sanfter zu landen. Die Sensomotorik ist viel mehr im Einsatz, was wiederum bedeutet, dass Du agiler und feinfühliger wirst. Diese Tatsache kommt Dir vor allem nach der Geburt bei Deinem Laufstart zugute, weil Du dadurch natürlich viel bewusster und achtsamer läufst.

Stretching

fitmom familiii 2024 03 Adamle StretchingAuch wenn es für Dich vielleicht langweilig erscheint, Stretching nach einem Lauf ist wichtig und trägt zur aktiven Regeneration bei. Wenn Du Dich wie es hier am Bild zu sehen ist, in den Einbeinstand begibst, um den vorderen Teil Deines Oberschenkels und die vordere Hüfte zu dehnen, dann achte darauf, dass Du eine Anhaltehilfe in Griffweite hast. Dann kannst Du während der Stretchposition besser entspannen. 

Abschließend möchte ich Dir noch ein paar Worte mitgeben: Laufen nach der Geburt kann eine wunderbare Möglichkeit sein im fordernden Alltag mit Kindern abzuschalten und den Kopf freizubekommen. Lass Dich aber nicht von der Außenwelt und Deiner eigenen, eventuell zu hohen, Ambition stressen. Nimm Dir für den Anfang lieber ein paar lockere Laufeinheiten auf kurze Zeit vor, anstatt gleich „Vollgas“ zu geben. Du solltest niemals „gegen Dich“ laufen: Du läufst, weil Du laufen willst.

Über die Autorin

Christine Adamle ist fitmom-Trainerin bei fitmom austria, Laufcoach, diplomierte Health Personal Fitness Trainerin mit Fokus auf prä- und postpartales Training, Rectus Diastase und Pilates.

Zur Trainerinnen-Seite der Autorin Christine Adamle

Fotos: © Ben Leitner / familiii

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